Mara Santidrián Korff

2 Februar 2022

Wie gut funktioniert „Faking“ im Auswahlprozess?

Faking- vs. Nicht-Faking-Versuche bei Persönlichkeitsfragebögen

„Ich werde anhand meiner Persönlichkeit beurteilt? Da kann ich mir doch einfach etwas ausdenken! Ich weiß ja, was sie hören wollen“ – das könnten die Gedanken von Bewerber*innen sein, wenn sie sich einem Persönlichkeitsfragebogen im Bewerbungsprozess stellen müssen. Der Versuch der gezielten Anpassung der Antworten in einem (Persönlichkeits-)fragebogen nennt man „Faking“ und strebt immer das vermutete Profil eines*r Idealkandidat*in an. Bislang wurde davon ausgegangen, dass Kandidat*innen wissen, welche Eigenschaften für eine bestimmte Position gesucht werden und was „gutes Faking“ beinhaltet. Das stellen die Forscher Martin, Bowen und Hunt (2002) in ihrer Studie „How effective are people at faking on personality questionnaires?“ in Frage und untersuchen die Faking-Fähigkeiten von Kandidat*innen sowie die Passung zwischen vermuteten und tatsächlichen Idealprofilen aus Sicht von Kandidat*innen und Manager*innen. 

Die Annahme, dass Kandidat*innen wissen, welche Ergebnisse Personaler*innen in einem Persönlichkeitsfragebogen erwarten, untersuchten bereits Mahar et al. im Jahr 1995. Sie fanden  heraus, dass Faking stereotypenbasiert ist und weniger mit den tatsächlichen Persönlichkeitsprofilen von echten Angestellten übereinstimmt. Martin et al. (2001) wollten nun herausfinden, ob Kandidat*innen ihre Antworten so verzerren können, dass sie dem Profil eines*r Idealkandidat*in aus ihrer Sicht und aus Sicht von Manager*innen ähneln. Außerdem untersuchen sie zwei verschiedene Fragebogenformate auf ihre Verfälschbarkeit. Bei der ersten Skala, der Likert-Skala, handelt es sich um eine übliche Antwortenskala, bei der Studienteilnehmer*innen von 1-5 angeben sollten, wie sehr eine Aussage auf sie zutrifft. Bei der zweiten Skala, der ipsativen Skala, mussten Kandidat*innen Aussagen in eine Reihenfolge bringen, je nachdem welche am meisten auf sie zutrifft. 

Zuletzt ermittelten die Forscher, ob und wie hoch die Übereinstimmung zwischen den Angaben der Kandidat*innen und der ausgewählten Manager*innen ist. 

Die Ergebnisse wurden erhoben, indem die Differenz zwischen den Antworten von Kandidat*innen und Manager*innen errechnet wurde. Dabei fanden die Forscher*innen heraus, dass die Faking-Gruppe ihre Antworten fälschen konnte, um ihrem Ideal zu entsprechen, wenn sie dazu aufgefordert wurden. Das bedeutet, dass gezieltes Faking funktioniert und die Kandidat*innen ihre Antworten anpassen können.

Zudem gab es starke Übereinstimmungen zwischen der Faking-Gruppe und den Idealvorstellungen von Manager*innen (Rangkorrelation = .86). Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Kandidat*innen “gutes Faking“ anwenden können, indem sie ihre Antworten an die eines*r Idealkandidat*in von Manager*innen angleichen können und, dass sie sich im Klaren darüber sind, wie das gewünschte Profil aussieht. Zudem fanden die Forscher*innen, dass bei normativen Skalen größere Unterschiede zwischen der Faking- und der ehrlichen Gruppe bestehen, anders als bei der forced-choice Skala. Das legt nahe, dass Fragebögen, bei denen Kandidat*innen ihre Zustimmung auf einer einfachen (normativen) Skala angeben müssen, leichter verfälschbar sind. Allerdings waren bei beiden Gruppen die Unterschiede vergleichsweise klein (20.7 vs. 17.9 in der normativen Skala und 20.1 vs. 19.7 auf der ipsativen forced-choice Skala, wobei ein geringerer Abstand eine bessere Übereinstimmung zwischen der idealen und der tatsächlichen Punktzahl der Person bedeutet).

Mithilfe der Ergebnisse von Martin et al. (2002) können Rückschlüsse auf das Verhalten von Kandidat*innen gezogen werden und der Bewerbungsprozess kann neu interpretiert werden. Man kann davon ausgehen, dass sich Kandidat*innen sind durchaus über die Anforderungen und gewünschten Antworten in einem Persönlichkeitstest bewusst sind und auf Wunsch ihre Antworten in Richtung des Ideal angleichen können.

Heutzutage gibt es jedoch auch viele Persönlichkeitsfragebögen, die Verzerrungen wie das Faking reduzieren können. Aus der Studie geht auch hervor, dass ipsative Skalen (in gewissem Maße) dabei helfen können, Faking-Versuche zu mindern. Jedoch ist anzumerken, dass Faking an sich ein Prozess ist, der wiederum ein gewisses Mass an Intelligenz voraussetzt, da die Kandidat*innen sich ihren Anforderungen bewusst sein müssen. Faking ist daher nicht immer nur negativ zu beurteilen, da es durchaus positive Merkmale voraussetzt. Personaler*innen sollten sich dennoch vor der Verwendung eines Persönlichkeitstests für die Personalauswahl über die Qualität und die Merkmale informieren. Und insbesondere Persönlichkeitsfragebögen ergänzend zu anderen Instrumenten, wie Interviews oder im Rahmen von Assessment Centern benutzen. 

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